Und es ist doch (nicht) die Zahnbürste!
Eine Klientin kommt in die Praxis und erzählt, dass sie mit ihrem Latein am Ende ist. Sie sei ja wirklich tolerant, aber irgendwann geht auch ihr die Hutschnur durch. Sie kann so einfach nicht mehr weiter machen, es kostet sie einfach zu viel Kraft!
Zur Situation
Frau B. ist vor ca. einem halben Jahr mit Ihrem Lebenspartner zusammengezogen. Sie hatten sich diesen Schritt gut überlegt, denn beide bringen langjährige Beziehungserfahrungen mit und haben daraus bereits einiges gelernt.
Damit dieser Schritt gelingt, hatten Sie sich vorgenommen, achtsam miteinander umzugehen und vereinbart, offen und rechtzeitig wichtige Dinge anzusprechen. Auch sind sie bereits vorab gemeinsam ein paar Wochen in den Urlaub gefahren, um erste Erfahrungen zu machen, wenn sie Tag und Nacht zusammen sind.
Doch wie sich herausstellt, Urlaub ist nicht Alltag. Der Rahmen ändert sich. Und solch eine Entscheidung bringt vieles mit sich, das einem erst auf einen zweiten Blick bewusst wird.
Hintergrund
Wir können uns so viel vornehmen, wie wir wollen, doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Unsere Wirklichkeit holt uns ein.
Denken – Fühlen – Wollen. Drei Ebenen, die gemeinsam entscheiden, inwieweit wir uns wohl fühlen. Wir können Vorstellungen entwickeln, die uns so richtig gut gefallen, so dass wir die Motivation entwickeln, es auch in die Tat umzusetzen. Unsere Gedanken sind dann vorausgegangen. Diese vorausgehenden Gedanken rufen Gefühle hervor, die uns motivieren (movere = sich bewegen). Wir sind bereit zu handeln und setzen um. So löste bei Frau B. die Vorstellung, gemeinsam eine Wohnung zu beziehen, positive Gefühle in ihr aus. Endlich nicht mehr alleine zu sein, alles teilen zu können. Diese Gefühle wurden so stark, dass sie sich davon motivieren ließ, es auch in die Tat umzusetzen.
Lebendiges Miteinander
Denken – Fühlen – Wollen sind wechselseitig beeinflussende und wiederkehrende Prozesse.
Nach dem Entschluss, eine gemeinsame Wohnung zu beziehen, war die Freude groß. Die Handlung folgte. Doch nach einiger Zeit reihte sich auch dieser Zustand in den Alltag ein. Frau B. und ihr Partner haben sich daran gewöhnt.
Doch auch andere alte Gewohnheiten zeigen sich im Alltag, denen wir uns nicht immer bewusst sind. Diese können für den neuen Partner völlig neu sein. Manche wirken angenehm, manche überraschen und andere irritieren zuerst einmal.
Spannungen kommen auf
Sofern die Probleme nicht gelöst werden, werden die Emotionen stärker und entwickeln sich dann weiter zu Konflikten. Bald geht es nicht mehr um das Ursprüngliche, sondern das Grundsätzliche schimmert durch. Wir fangen an zu Verallgemeinern. Es ergreift uns, manchmal so sehr, dass unsere Empfindsamkeit bei jeder Kleinigkeit in gefühlten Ärger umschlägt. Selbst die Zahnbürste, wenn sie nur ein wenig anders im Bad abgestellt wird, kann zur Katastrophe werden.
Willst Du ein guter Partner sein, schau mal in Dich selbst hinein
Oft übertragen wir allzu leicht das Ursache-Wirkungsdenken aus der uns umgebenden materialistischen Welt in unsere Beziehungen hinein. Frau B. denkt: „Er weiß doch ganz genau, dass wir für … extra … gemacht haben.“ Und weiter interpretiert sie: „Er ärgert mich damit derartig, weil er es einfach übersieht, obwohl ich es bereits mehrfach angesprochen hatte.“
Zum einen sind unsere Vernetzungen in Beziehungen deutlich komplexer, als dass wir es auf einfache Ursache-Wirkungsmuster reduzieren könnten. Es wird uns nie möglich sein, alle Einflüsse für eine Situation zu erkennen oder gar zu beherrschen.
Zum anderen sind nur wir selbst für unsere Gefühle selbst verantwortlich, niemand anders. Denn wir nehmen die Welt von außen in uns auf und konstruieren damit unsere eigene Wirk-lichkeit in uns nach unseren eigenen Vorstellungen, Interpretationen und Emotionen.
Die ersten Schritte
Frau B. merkt, dass ihr das Gefühl des „sich ärgern“ immer häufiger in unterschiedlichsten Situationen erscheint. Ihr ist auch aufgefallen, dass ihr Selbstwert anfängt darunter zu leiden.
In der Therapie lernt sie, rechtzeitig zu spüren, wann diese Gefühle in ihr entstehen und schafft sich damit die Möglichkeit, sich zu steuern und nicht den Gefühlen freien Lauf zu lassen. Dies bedeutet, dass sie dieses Gefühl des „sich ärgern“ umdreht und als eine gute Absicht für sich selbst annimmt. Dann stellt sie sich die Frage „wofür“ dieser Ärger (und nicht „warum“) da sein kann. Diese Fragestellung hilft ihr, zu entdecken, dass eine Seite in ihr in bestimmten Situationen nicht die Beachtung/Wertschätzung erfährt, die für sie sehr wichtig ist, um sich wohlzufühlen.
Mit Hilfe dieser Fragestellung ist es ihr gelungen, die Gedanken weg vom Ursache-Wirkungsdenken (er übersieht es einfach und deshalb…) hin zu zukünftig notwendigen Bedingungen (ich wünsche mir mehr Wertschätzung…) zu bewegen.
Und als sie ihren Gedanken und Gefühlen noch weiteren Raum gab, stellte sie fest, dass dies auch Dinge waren, die in ihrer vorherigen Beziehung Schwierigkeiten haben aufkommen lassen. Sie hingen damals in den Vorwurfsschleifen fest und kamen nicht mehr heraus. Ihnen war es damals nicht gelungen die Diskussionen aus dem Ursache-Wirkungsdenken heraus in Richtung der Bedürfnisse zu drehen. Gegenseitige Abwertungen häuften sich immer mehr.
In jedem Konflikt gibt es mindestens noch eine andere Seite
Frau B. wurde klar, dass sie selbst dafür verantwortlich ist, ihre Bedürfnisse zu äußern. Sie merkte, dass es an ihr liegt diese mitzuteilen, denn sie konnte nicht erwarten, dass ihr Partner diese in jeder Situation von sich aus erkennen kann.
Nachdem Sie die Erfahrung, die sie damit in der vergangenen Beziehung gemacht hatte nicht wiederholen wollte, lernte sie, ihre Kommunikation zu verändern.
Wann Coaching hilfreich sein kann
Mit Hilfe eines Coachings konnte Sie für sich selbst noch ein paar Dinge reflektieren. Gleichzeitig konnte sie sich für ein klärendes Gespräch mit Ihrem Partner gut vorbereiten, um nicht wieder in eigene alte Verhaltensmuster zurückzufallen. Das stärkte ihr Selbstvertrauen und ihr Selbstbewusstsein.
Frau B. nahm gut vorbereitet allen Mut zusammen, führte das Gespräch und freute sich sehr, diese Schritte gegangen zu sein.